•  

Lösung der kommunalen Überschuldung durch den                                 Bund ist ein Irrweg

  • 10.02.2020         -

Grundsätzlich besteht bei jeder direkten Förderung des Bundes immer das Problem, dass das Länderfinanzsystem unterlaufen wird. Ausserdem stellt sie eine Form der Mischfinanzierung mit all ihren Nachteilen dar. Die Erfahrungen damit waren nicht gut, deshalb hat man sie richtigerweise im Rahmen der Föderalismusrefom abgeschafft. Leider ist man dabei die Erfahrungen in den Wind zu schlagen. Um die damit verbundenen Probleme zu verstehen, muss man einen kurzen Blick auf die Entwicklung werfen.

 

Finanz- und Steuerpolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik, weil Änderungen der Rahmenbedingungen immer zu Verhaltensänderungen führen, deren Wirkung berücksichtigt werden muss. Wer beispielsweise nicht das Gefühl hat für eine Forderung an die Gesellschaft auch selbst und unmittelbar bezahlen zu müssen, der fordert mehr und übt auch Druck aus, um das Durchzusetzen. Das aktuellste Beispiel erleben wir bei der Einführung der Gebührenfreiheit für Eltern in den Kindergärten. Plötzlich melden alle Eltern die Kinder für die vollen 8 Stunden an, auch wenn sie die Zeit nicht brauchen und fordern die dritte Gruppenkraft. Es „koste sie ja nichts“. Dadurch ist unsere Vollkasko-Gesellschaft entstanden, die alle Probleme vom Staat lösen lassen will und damit die öffentlichen Haushalte sprengt.

 

Durch die Finanzreform der „Erzbergischen Steuer- und Finanzreform“ von 1919/20 ging die wesentliche Einnahmehoheit von den Ländern auf den Bund über. Vorher war so, dass  die wesentlichen Einnahmen an die Länder zu flossen und der Bund von den Ländern finanziert wurde. In der Weimarer Republik wurde dieses Verhältnis umgekehrt. Im Prinzip fliessen zunächst die wesentlichen Einnahmen dem Bund zu und müssen den Ländern teilweise abgegeben werden, wobei als Anpassungsinstrument die Mehrwertsteuerverteilung gilt.

 

Finanz- und Handlungsverantwortung gehören zusammen in eine Hand. Jeder der öffentliche Aufgaben und damit Ausgaben schafft, muss selbst Auge in Auge mit dem Bürger die notwendige Finanzierung schaffen. Wer etwas Neues will, muss den Bürgern dafür auch die notwendigen Mittel über Steuern abnehmen. Nur dann wird die notwendige Ausgabendisziplin herrschen.

 

Weil neue Aufgaben in der Regel durch Bundes- oder Landesgesetze geschaffen und von den Städten, Gemeinden und Landkreisen  ausgeführt werden müssen, sind richtigerweise der Bundestag in Verbindung mit dem Bundesrat sowie die Landtage als die die Aufgaben schaffenden Institutionen auch für die Finanzierung zuständig. Die Kommunen als Hauptausführungsebene sind nicht beteilig. Die Länder sind über den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung beteiligt oder als Landesgesetzgeber autonom. Sie haben somit Einfluss auf Volumen  der Ausgaben im Gesamtstaat.

Die Kommunen sind an dem Prozeß, der ihre Kostentreibt systembedingt nicht beteiligt. Um sie dennoch nicht ungeschützt zu lassen, sind sie in der Finanzordnung integraler Bestandteil der Länder. Diese sind ausschließlich für eine ausreichend Finanzaussttattung der Kommunen zuständig. Diese Verantwortung können sie übernehmen, weil sie bei der Aufgabenkreation ein Vetorecht über den Bundesrat haben. Damit gibt es einen geschlossenen Verantwortungskreislauf.

 

Die Länder müssen also bei ihrer Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung die kommunale Interessenlage immer im Auge haben. Wenn Länder im Bundesrat für eine neue Aufgabe stimmen, übernehmen sie die Finanzierungsverantwortung für die Ausführung auf der kommunalen Ebene. Dieses System darf nicht durch direkte Bundeszahlungen unterlaufen werden.

 

In der Vergangenheit fühlten sich die Kommunen oft von den Ländern vernachlässigt. Deshalb wurde durch die Föderalismuskommission I ein doppelter Schutzmantel zugunsten der Kommunen aufgebaut. Auf der einen Seite wurde ein „Durchgriffsverbot“ für den Bund geschaffen. Damit kann er den Kommunalen direkt  keine Aufgaben mehr auferlegen. Er kann Aufgaben nur gegenüber den Ländern neu schaffen. Diese sind durch ihre Beteiligung an der Bundesgesetzgebung geschützt. Die Länder können die Aufgaben auf die Kommunen delegieren. Das ist kein Problem, weil die Länder auch für die Sicherstellung der Finanzierung gegenüber den Kommunen zuständig sind. Weil es auch hier Kritik an der Praxis der Länder durch die Kommunen gab wurde, innerhalb der Länder ein weiterer Schutzmantel für die Kommunen eingeführt. In allen Ländern gibt es das „Konnexitätsprinzip“. Die Städte, Gemeinden und Landkreise haben durch dieses Institut einen verfassungsrechtlich verbürgten und einklagbaren Finanzierungs-anspruch bei der Einführung neuer Aufgaben.

 

An einer Stelle ist dieses geschlossene System noch gestört. Es gilt nicht für Altaufgaben. Dieser Systembruch muss dringend abgeschafft werden, weil sich gezeigt hat, dass Standardveränderung von Altaufgaben hinsichtlich der Kosten eine grössere Dynamik entwickeln können, als neue Aufgaben.

 

Eine Durchbrechung durch direkte Bundesaufgaben und Bundesfinanzierung darf es in diesem System nicht geben.

 

Wenn die kommunale Finanzdecke aus der Sicht der Länder zu dünn ist, dann muss sie durch die Länder aufgefüllt werden. Der Bund hat dieser Stelle nichts zu suchen.

 

Wenn die Länder meinen, sie könnten das nicht finanzieren, dann müssen sie dies im Verhältnis Bund –Länder regeln. Damit wiederum haben die Kommunen nichts zu tun. Das sind zwei verschiedene Problemlagen. Wenn die Länder hier über den Bundesrat 16:0 den Bund auffordern, den Kommunen Geld zu geben ist das ein Offenbarungseid. Die Länder verweigern die Erfüllung  ihre ureigenste Aufgabe.

 

In diesem Zusammenhang spielt auch bei den Ländern die Aufgabe der Kommunalaufsicht eine wichtige Rolle. Die Länder haben bei den Kommunen nicht für einen „Blankoscheck“ bei den Kommunalfinanzen einzustehen, sondern ihnen ist durch die Kommunalaufsicht die Möglichkeit gegeben, zu kontrollieren, dass die Kommunen nicht aus dem Ruder laufen. Wenn nun aber mit Hilfe eines kommunalen Entschuldungsprogramms durch den Bund Luft geschaffen werden kann, dann geraten Länder in die Versuchung, die Zügel in der Kommunalaufsicht schleifen zu lassen. Für später eintretende Schäden haftet ja der  Bund. Eine solche Option darf es nicht geben, weil dann die Kommunalaufsicht nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird. Auf diesem Wege dürfen die Länder nicht aus der Haftung entlassen werden.

 

Die Erfahrung gerade aus den neunziger Jahren, in denen das Anwachsen der Kassenkredite begann, zeigt, dass die Kommunalaufsicht offenbar versagt hat. Die Länder standen vor der Alternative nicht rechtsmäßigen Haushalte zu genehmigen oder Geld geben zu müssen. Sie die Aufgabe Kommunalaufsicht vernachlässig und sich dadurch kurzfristig Luft verschafft. Langfristig holt uns jetzt diese Entwicklung ein und äussert sich in den kommunalen Kassenkredite, die nach Recht und Gesetz in dieser Höhe gar nicht hätten aufwachsen dürfen. Kassenkredite sind unterjährige Finanzierungsmöglichkeiten zum Ausgleich von Liquiditäts-schwankungen, die am Jahresende auf Null stehen müssen. Wenn sie durch ein Defizit im kommunalen Haushalt über den Jahreswechsel hinweg bestehen bleiben, müssen sie innerhalb von zwei Jahren ausgeglichen werden. Das muß die Kommunalaufsicht sicherstellen. Das hat sie aber nicht. Das zeigt, dass die Länder die Kassenkredite über eine Vernachlässigung der Kommunalaufsicht provoziert haben. Dafür müssen sie haften.

 

Im Übrigen gilt das nicht für alle Länder. Andere sind ihren Pflichten nachgekommen. Wenn der Bund jetzt diese Defizite übernehmen würde, würden die ordentlichen Länder jetzt für ihr richtiges Handeln bestraft und die Nachlässigen für ihre Fehler belohnt.

 

In den sechziger und siebziger Jahren entwickelten sich die Landeshauhalte deutlich schwächer als der Bundeshaushalt. Das hat dazu geführt, dass der Bund immer mehr Einzelförderungsprogramme mit Billigung der Länder eingeführt hat. Das Ergebnis war eine „Töpfchenwirtschaft“ in Form der Mischfinanzierung, die 1969 sogar im Grundgesetz verankert wurde.

 

Mischfinanzierung bedeutet für ein und dieselbe Aufgabe sind mehrere Ebenen zuständig. Drei zuständige Bürokratien - Bund, Land und Kommunen - für eine Sachfrage bedeuten einen grossen Koordinierungsbedarf.  Da sowohl Geldgeber als auch alle Beteiligten sich in den Projekten verwirklichen wollen, bedeutet dies in der Praxis eine erhebliche Erschwerung und Verzögerung in der Umsetzung. Daneben ist das mit einer Vermischung der Verantwortlichkeiten verbunden. Es ist nict mehr erkennbar, wer für was verantwortlich ist.

 

Ich nenne das Beispiel der Schultoiletten. Infolge der Durchbrechung des Systems durch Einzelförderungen unter Anderem für die Schulbauten sind für den Unterhalt, der wegen ihres häufig schlechten Zustandes bekannten Einrichtung, inzwischen drei Ebenen zuständig, der Bund, das Land und der kommunale Schulträger. Der Bürger  kann nicht mehr durchschauen ob die Verantwortlichen, der Landrat, der Ministerpräsident oder die Bundeskanzlerin, ihre Aufgabe erfüllen oder nicht. Damit kann er das polituische Verhalten der Einzelnen Beteiligten nicht mehr bewerten. Das aber ist eine wesentliche Grundlage für seine Wahlentscheidung.  Das ist für die Demokratie tödlich. Da der Bürger das unterschiedliche Verhalten nicht mehr bewerten kann, kann er keine Wahlentscheidung mehr treffen oder  kommt zu einer Haltung, egal was ich mache, es ändert sich ohnehin nichts. Dann ist der Weg zur Resignation und damit zur Wahlenthaltung nicht mehr weit. Dies haben wir an der dramatisch ansteigenden Zahl der Nichtwähler festzustellen.

 

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen  wurde im Rahmen der Föderalismusreform wieder eine klare Kompetenzordnung geschaffen. Dies war Konsens aller gesellschaftlichen Gruppen und Parteien.

 

Insofern war die kürzliche Öffnung für die Bildungsaufgaben ein Sündenfall. Er ist aber eine Kapitulation der Länder. Sie haben schlicht und einfach ihre Aufgabe nicht mehr wahrgenommen, sondern auf den Bund übertragen. Ein solcher Weg unterläuft die  föderative Ordnung und führt zwangsläufig zu einem Zentralstaat. Das wiederum hat tiefe Auswirkungen auf „checks and balanches“, das in Folge der Weimarer Erfahrung bei uns im Grundgesetz wohl geordnet angelegt war.

 

Mischfinanzierungn haben weiterhin den Nachteil, dass es lange dauert, bis Entscheidungen auf den Weg gebracht und umgesetzt sind. Dies führt zur Unzufriedenheit in der Bevölkerung, weil die Dinge nicht vorangehen und schnelle Lösungen auch in erforderlichen Fällen nicht greifen. Das fördert populistische Kräfte, die vermeindlich einfache Lösungen haben. Das schadet der Demokratie. Deshalb führt die Mischfinanzierung in die Irre.

 

In einer föderalen Ordnung wie der Bundesrepublik Deutschland muß das Geld der Aufgabe folgen. Jede Ebene muß ihre Aufgaben aus eigenen durch die anderen Ebenen nicht angreifbaren Finanzquellen finanzieren können.

 

Die Kommunen verfügen über rund 13 % der Steuereinnahmen und erfüllen fast 20 % der gesamtgesellschaftlichen Aufgabenlast. Hier ist hier ein Defizit und damit die Abhängigkeit von den Ländern vorprogrammiert. Diese Finanzlücke enthält die Einladung zu Fehlkonstruktionen, wie der Mischfinanzierung.

 

Damit ist nicht gesagt, daß der Finanzausgleich falsch ist. Ein solcher ist immer zum Austarieren von strukturschwäche auf der Ebene zwischen den Ländern und innerhalb der Länder zwischen den Kommunen erforderlich. Aber immer nur in Höhe der strukturbedingten Unterschiede. Er darf nur ein Volumen haben, dass die Defizite zwischen den reichsten Gemeinden und den ärmsten Gemeinden im Lande angleicht, nicht automatisch ausgleicht. Alles was darüber hinaus an Zuweisungen erforderlich wird, weil die kommunale Finanzausstattung nicht ausreicht, ist von schädlicher Wirkung, weil es die aufgezeigten negativen Effekte auslöst.

 

Statt der Einzelzuweisungen, wie z. B. der Übernahme der Kassenkredite der Kommunen, ist eine neue Austarierung der Finanzströme erforderlich. Da die Summe der Finanzen heute ausreicht, ist das nicht mit einer Verschlechterung des Bundes- und der Landeshaushalte verbunden. Hier erfolgt nur die Umstellung der jetzt aus Zuweisungen vorgesehenen Finanzmasse in ordentliche Einnahmen für die Kommunen. Der damit auf den ersten Blick verbundene Einflußverlust für die Bundes- und Landespolitik ist auf Dauer keiner, denn politischer Gestaltungsspielraum, der angeblich verloren geht, ist in Wahrheit nicht vorhanden. Man macht sich insoweit etwas vor. Wenn man von dem nicht vorhandenen Spielraum Gebrauch macht, ist das ein Wechsel auf die Zukunft, der die Politik schell einholen wird.

Jochen-Konrad Fromme

Rechtsanwalt

Bäckerweg 2

 

38275 Haverlah

 

Tel.: 05341-331661

Fax: 05341-331852

EMail:

Rechtsanwalt@jkf.de

 

 

Kontakt und Terminvereinbarung

Jochen-Konrad Fromme

Rechtsanwalt

Bäckerweg 2

 

38275 Haverlah

 

Tel.: 05341-331661

Fax: 05341-331852

EMail:

Rechtsanwalt@jkf.de