Leserbrief zu: Der Nachtrag ist ein Bekenntnis zur Schuldenbremse FAZ vom 22.21.2021

Leserbrief zu: Der Nachtrag ist ein Bekenntnis zur Schuldenbremse FAZ vom 22.21.2021

 

Wie Werner Gatzer selbst zum Ausdruck bringt, sollen die zusätzlichen Schulden die Folgen der Pandemie – nicht die Ursachen – bekämpfen und gleichzeitig strukturelle Probleme der Gesellschaft anpacken, die unabhängig von der Pandemie und schon vor dieser bestanden.

 

Das steht mit dem Grundgesetz nicht im Einklang. Als Ausnahme von dem grundsätzlichen Verschuldungsverbot über die engen Grenzen der Schuldenbremse in Staatsnotfällen ist der Art. 115 Abs. 2 Sätze 6 bis 8 GG eng auszulegen. Erlaubt ist eben nicht eine Verschuldung „gelegentlich“ eines Staatsnotstands sondern nur zu dessen Bekämpfung.

 

Genau das ist aber mit den neuen bzw. erweiterten Klima- und Transformationsfonds nicht geplant. Wie schon die Bezeichnung zum Ausdruck bringt, geht es um andere Zwecke, die ihre Ursache gerade nicht in der Pandemie haben. Damit fehlt es an der erforderlichen Kausalität.

 

Es fehlt auch an dem Tatbestandsmerkmal einer „erheblich Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage“, denn die Mittel wurden im Haushaltsjahr 2021 gerade nicht benötigt, sonst hätten sie nicht in die Rücklage überführt und für einen anderen Zweck eingesetzt werden können.  

 

Unabhängig davon macht eine Verschuldung keinen Sinn. Kredite vergrößern die Wirtschaftskraft nicht. Möglich ist nur, den Zeitpunkt zu verändern, zu welchem man sie einsetzt. Wenn man seine künftige Kaufkraft vorziehen will, muß man jemanden finden, der seine Kaufkraft derzeit selbst nicht einsetzen will und sie jemandem leiht. Dann muß man dem anderen für seinen vorläufigen Verzicht etwas geben, den Zins. Durch eine Schuldenfinanzierung wird also die einsetzbare Konsumkraft nicht mehr, sondern weniger, denn man muß sie künftig nicht nur zurückgeben sondern auch noch verzinsen. Auf die gegenwärtige Null-Zins-Lage kann man sich nicht verlassen. Angesichts der tendenziell steigenden Inflationsrate werden die Notenbanken zum handeln gezwungen und das Zinsniveau wird steigen, spätestens wenn die entsprechenden Effekte aus Amerika auf den Euroraum überschwappen.

 

Weil der Bund und die Länder bis auf Hamburg und Hessen weder tilgen noch Abschreibungen verbuchen schaffen kreditfinanzierte Investitionen „Ewigkeitszinsen“. Investitionen sind bilanziell ein Aktiv-Tausch, wenn ich Geld gegen ein anderes Wirtschaftsgut eintausche, dann ändert sich die Zusammensetzung des Vermögens, es bleibt aber in der Summe unverändert. Wenn ich kreditfinanziert einen Vermögenswert erwerbe, handelt es sich um eine Aktiv-Passiv-Mehrung. Damit ändert sich die Vermögenslage unter dem Strich auch nicht. Ich habe zwar mehr Vermögen, aber auch gleichzeitig mehr Schulden. Insofern hat dieser Vorgang isoliert betrachtet keine Auswirkungen auf die Vermögenslage.

 

Der Unterschied zwischen einer Investition und eine konsumptiven Ausgabe liegt darin, daß „konsumptive Ausgaben“ Beschaffungen sind, die im Jahr der Beschaffung verbraucht werden. Investitionen werden beschafft, um sie über einen längeren Zeitraum, der über eine Rechnungsperiode hinausgeht, nutzen zu können. An der Tatsache des Verbrauches ändert sich aber nichts. Der Unterschied liegt nur darin, daß einmal der Verbrauch im Beschaffungsjahr erfolgt und in der anderen Fallgruppe über mehrere Rechnungsperioden. Aber Verbrauch bleibt Verbrauch. Die Investition ist also nur ein Zwischenstadium auf dem Weg zum Vermögensverzehr.

 

Festzuhalten bleibt: Jede Investition wird zum Zeitpunkt ihrer Nutzung Aufwand, also konsumptiv, nämlich dann, wenn das damit beschaffte Wirtschaftsgut „gebraucht“ und damit „verbraucht“ wird. Dies wird in der öffentlichen Diskussion häufig übersehen oder geflissentlich ausgeklammert. Investitionen sind immer nur eine Vorstufe, ein Durchgangsstadium auf dem Wege zum Verbrauch. Damit verbleiben die Kredite auf Dauer in der Bilanz des Bundes und erfordern auf Dauer Zinszahlungen. Auch wenn das in der ersten Phase wegen der Null-Zinsen noch nicht gegeben ist, wird dies nach Ablauf der Zinsbindung eintreten, denn den Null-Zins auf Ewigkeit gibt es nicht. Das bedeutet, künftige Generationen werden für den gegenwärtigen Verbrauch Zinsen bezahlen müssen, obwohl sie keinen Nutzen davon haben. Das ist ein klassischer Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit und widerspricht der mit der Einführung der Schuldenbremese und der damit verbundenen Intention der Grundgesetzänderung von 2009. Das ist gerade kein Bekenntnis zur Schuldenbremse sondern ein eklatanter Verstoß.

 

Darüber liegt in einem solchen Verhalten auch ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz des wirtschaftlichen Handelns, denn durch die Ewigkeitszinsen verteuern sich die Maßnahmen um ein Vielfaches und werden damit in jedem Falle unwirtschaftlich.

Jochen-Konrad Fromme

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