Leserbrief zu: Das gefährliche Spiel mit der                   Staatsverschuldung FAZ vom 23.20.2021

 

 

Schulden an sich sind weder gut noch böse. Es ist wie mit dem Feuer, auch das ist per se weder gut noch böse. Es kommt darauf an, was man damit macht. Es kann wärmen oder zerstören. So ist es auch mit Schulden.

Wenn ich einen Kredit aufnehme, um damit man Gebäude energetisch zu verbessern und die eingesparten Energiekosten höher sind als Zins und Tilgung für die Schulden, dann sind das gute Schulden. Wenn ich aber damit Ausgaben für erhöhten Konsum, den ich mir nach meinen Einnahmen nicht leisten kann, zu finanzieren, dann sind das böse Schulden.

Das ist auch beim Staat  nicht anders. Durch Kredite kann die Gemeinschaft ihre Finanzkraft nicht vergrößern. Sie kann lediglich den Zeitpunkt, wann sie die verfügbare Kaufkraft einsetzt, verändern.

Klassisch machte man das dadurch, daß man für größere Anschaffungen, die man aus dem laufenden Einkommen nicht bezahlen kann, gespart hat, bis sich über mehrere Einkommensperioden der Betrag angesammelt hatte, um eine Finanzierung zu ermöglichen. Man hat also im Blick auf die geplante Investition zeitweilig Konsumverzicht geübt.

Es geht aber auch dadurch, daß man sich von einem Dritten zusätzliche Liquidität verschafft, die dieser durch Konsumverzicht angesammelt hat, und zusammen mit den eigenen Mitteln die Anschaffung tätigt. Das geht aber nur un ter zwei zusätzlichen Bedingungen. Zum einen wird der Darlehnsgeber erwarten, daß man ihm die überlassene Liquidität zurückgibt, also tilgt. Und zum anderen wird er normalerweise einen Preis dafür verlangen, daß er zu meinen Gunsten auf Konsum verzichtet hat, den Zins. Es zeigt sich also, daß ich keine zusätzliche Kaufkraft durch Schulden erzeugen kann. Im Gegenteil: Durch die Zinsen wird meine künftige Kaufkraft geschwächt. Auf die gegenwärtig niedrigen Zinsen kann man sich nicht verlassen. das kann sich stündlich ändern. Außerdem muß ich Zukunft Konsumverzicht üben, um die Liquidität zurückzugeben.

Bei den Schulden geht es also im Wesentlichen darum, ob ich sie mir leisten kann und was ich damit mache. Wenn ich die Schulden aus eigener Kraft nicht zurückzahlen kann, weil meine eigene Kaufkraft dazu nicht ausreicht, dann ist es eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Das hat Konsequenzen für den verantwortlichen Umgang mit Schulden. Um die dafür erforderlichen Entscheidungsgrundlagen transparent zu machen, muß der Staat ein Rechnungswesen anwenden, daß den Ressourcenverbrauch unabhängig von den Liquiditätsflüssen abbildet, damit beurteilt werden kann, ob die Vermögenszuflüsse ausreichen, um den Verbrauch abzudecken, ob sie ihn übersteigen oder ob sie geringer sind. Das ist nicht deckungsgleich mit den Liquiditätsströmen, wie folgende zwei Beispiele zeigen: Wenn ich ein Haus verkaufe, dann erlange ich Liquidität ohne daß damit eine Vermögensmehrung verbunden ist. Ich tausche nur das Aktiva „Haus“ gegen das Aktiva „Geld“. Wenn ich eine Arbeitskraft beschäftige und sie nicht in die Rentenversicherung mit laufenden Beiträgen aufnehme sondern ihr verspreche nach der Pensionierung, also nach  der aktiven Erbringung von Arbeitsleistungen, weiter finanziell zu unterhalten, dann habe ich durch die künftigen Verpflichtungen schon heute einen Vermögensverlust, der sich  jetzt nicht in einem Liquiditätsabfluß abbildet. Ich muß also ein Rechnungswesen verwenden, daß den Ressourcenverbrauch und den Zufluß abbildet. Also ein doppisches Rechnungswesen. Nur dann läßt sich ablesen und wird damit transparent, ob ich meinen eigenen Verbrauch erarbeite oder Lasten in die Zukunft schiebe und damit die Generationengerechtigkeit verletze.

Erst dann wird die Wirkung von Schulden transparent und ein verantwortlicher Umgang damit möglich.

Die Schuldenbremse ist nur ein Hilfsmittel, um nach den Erfahrungen in der Vergangenheit zu verhindern, daß Lasten unkontrolliert in die Zukunft verschoben werden und damit der Grundsatz der Generationengerechtigkeit verletzt wird. Man braucht sie, solange es kein besseres Mittel gibt, um die Lastenverschiebungen zu kontrollieren. Deshalb sind bei der Zulässigkeit von Schulden auch die Grundsätze des BVerfGés zur Generationengerechtigkeit (Urteil zum Klimaschutz vom 24.03.2021) zu beachten.

Neue Staatsschulden lösen also nur dann Probleme, wenn durch sie ganz konkret Erträge entstehen, die höher sind als die dafür aufzuwendenden Zinsen. Wobei man nicht davon ausgehen kann, daß die Zinsen so niedrig bleiben, wie sie gegenwärtig sind.

Es kommt also darauf an, was man mit der Kreditaufnahme erreichen will und kann. Wenn im Rahmen der Wirtschaft ein Kredit aufgenommen wird, dann sollen damit zusätzliche Ertragsmöglichkeiten eröffnet werden. Die zusätzlichen Erträge müssen immer höher sein als die Zinskosten, sonst macht eine Kreditaufnahme keinen Sinn. Hier wird also eine aktiv-passiv-Mehrung vorgenommen, um die Ertragsschöpfung zu verbessern. Also zum Beispiel der Kauf einer Maschine. Die eine Produktion ermöglicht, deren Erträge die Aufwendungen inclusive der Zinsen übersteigt.

Beim Staat ist es gerade anders. Seine Aufgabe ist es nicht Erträge zu erwirtschaften. Er hat Leistungen zum Wohle der Gesellschaft zu erbringen. Seine Finanzierung geschieht durch Steuern, die per Definition nicht zweckgebunden sind, sondern allgemeine Deckungsmittel darstellen. Hier gibt es – ausgenommen bei den Leistungen der Daseinsvorsorge [Gebührenrechenden Einrichtungen]– keine direkt zurechenbaren Leistung und Gegenleistung. Deshalb kann ein Mehrsteueraufkommen abgesehen davon, daß es nicht zurechenbar ist, nicht als Gegenleistung zur Kreditaufnahme und damit zum Ausgleich der Zinslast betrachtet werden.

Im Gegenteil: Staatliche „Investitionen“ haben regelmäßig zusätzliche Aufwendungen zur Folge. Wenn eine Schule gebaut wird, dann erfordert deren Betrieb Regiekosten wie Heizung und Reinigung, Personalkosten für Lehrer, Hausmeister, Reinigung und sonstiges erforderliches Personal sowie Sachkosten für Lehr- und Lernmittel zur Folge. Sie belasten also die die staatliche Finanzierungsbilanz mit potentiellen Aufwendungen. Damit sind sie nicht in der Lage einen Beitrag zur Finanzierung der Investitionskosten und bei Kreditfinanzierung zum Ausgleich der Zinsaufwendungen zu leisten. Deshalb sind staatliche Schulden in ihrer Wirkung auch anders zu bewerten als Schulden, die im Rahmen eines Wirtschaftsprozesses aufgenommen werden.

Das ist auch der Grund, warum die Schulden im Rahmen der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse als „komsumtive Aufwendungen“ eingeordnet werden und ihre Tilgung aus den „ordentlichen“ Steuererträgen der Zukunft gesondert angeordnet ist und auch mit der Schuldenaufnahme im Rahmen der Finanzplanung zu regeln. Damit wird sichgestellt, daß mittelfristig nicht mehr verbraucht als erarbeitet wird.

 

Wer Schulden für allgemeine staatliche Zwecke aufnimmt, der belastet künftige Generationen. Das dürfen wir nicht!

 

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